<106>zogen nichtsdestoweniger die Kurmark und marschierten nach Polen, wohin sie beordert waren.

König Friedrich I. hob 8 000 Mann neuer Truppen aus. Statt sie aber für die Sicherheit seiner Staaten zu verwenden, sandte er sie nach Flandern zum Heer der Alliierten. Er selbst begab sich nach Kleve, um das Erbe Wilhelms von Oranien zu übernehmen, des Königs von England1, dessen Nachfolgerin auf dem englischen Thron Anna, die zweite Tochter König Jakobs, ward. Die Rechtsansprüche Friedrichs I. gründeten sich auf das Testament Friedrich Heinrichs von Oranien, der für den Fall, daß das Haus in der Manneslinie aussterben sollte, seine Tochter2, die Gemahlin des Großen Kurfürsten, zur Erbin seiner Besitzungen eingesetzt hatte. König Wilhelm hinterließ ein ganz entgegengesetztes Testament, dessen Vollstrecker die Generalstaaten sein sollten. Zum Erben bestimmte er den Fürsten Wilhelm Friso aus dem Hause Nassau. Die Erbschaft bestand aus dem Fürstentum Orange, aus Mörs und verschiedenen Herrschaften und Liegenschaften in Holland und Seeland.

Friedrich I. drohte, seine Truppen aus Flandern zurückzuziehen, wenn man ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren lasse. Die Drohung brachte den Holländern die Überzeugung bei, daß seine Ansprüche rechtmäßig seien. Es kam jedoch nur zu einem vorläufigen Vergleich, wonach die Erbschaft in zwei gleiche Hälften geteilt wurde. Sofort wurde dem König ein großer Diamant zugestellt, und er fand sich darein, seine Truppen in Flandern zu lassen. Ludwig XIV. setzte den Prinzen Conti in den Besitz des Fürstentums Orange. Friedrich I. fühlte sich dadurch schwer gekränkt. Er verstärkte sein Heer und nahm sogar Truppen von Gotha und Wolfenbüttel in seine Dienste. Bald danach erklärte er Frankreich den Krieg, weil das Heer von Bouffiers etliche Ausschreitungen im Klevischen begangen hatte. Ludwig XIV. spürte es nicht, daß er einen Feind mehr hatte. Der neue König tat viel, um seiner Leidenschaft zu genügen, aber nichts, um seine Interessen zu fördern. Bei jeder Gelegenheit bezeigte er seinen Haß gegen Frankreich. Den Herzog Anton Ulrich von Wolfenbüttel nötigte er, seine Verbindung mit Ludwig XIV. aufzugeben, nachdem die Herzöge von Hannover und Celle3 die Truppen, die der Wolfenbüttler mit französischen Subsidien unterhielt, auseinandergesprengt hatten.

England machte damals erstaunliche Anstrengungen zugunsten des Hauses Österreich. Die englische Flotte trug Erzherzog Karl, den nachmaligen Kaiser, nach Spanien, und ein englisches Heer sollte es ihm erobern helfen. Die Begeisterung Europas für das Haus Österreich überstieg jedes Maß.

Im ganzen Verlauf des Erbfolgekriegs bewährten die preußischen Truppen rühmlich das Ansehen, das sie sich unter dem Großen Kurfürsten erworben hatten. Sie


1 Wilhelm III. war 1702 kinderlos gestorben.

2 Luise Henriette.

3 Ludwig von Hannover und Georg Wilhelm von Celle. König Friedrich I. war bei diesem Unternehmen nicht beteiligt